Gute Regierungsführung

Gute Regierungsführung
良政善治

Gute Regierungsführung / 良政善治

Gute Regierungsführung / 良政善治

KURZGEFASST

Der Begriff „Gute Regierungsführung“ (善治) wurde erstmals 2014 in einem hochrangigen Parteidokument erwähnt. Heute ist er fest im politischen Sprachgebrauch verankert. Im Diskurs von Partei und Staat liegt der Schwerpunkt auf der effizienten Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen, der Bekämpfung von Korruption und Machtmissbrauch innerhalb der KPCh und der Etablierung einer rechtsbasierten Regierungsführung, d. h. der Verankerung von Strategien und Maßnahmen in Gesetzen und Vorschriften. Dabei geht es in erster Linie um die Steigerung des Wohlstands und den Schutz kollektiver Rechte – allem voran der öffentlichen Ordnung und Sicherheit –, und weniger um die institutionalisierte politische Beteiligung unabhängiger nichtstaatlicher Akteure und Bürger:innen.

Gesetze und Vorschriften, die die individuellen Freiheiten stark einschränken sowie verstärkte digitale Überwachung, werden seitens der chinesischen Regierung regelmäßig als gute Regierungsführung bezeichnet. Dies unterscheidet sich deutlich von den weiter gefassten Definitionen guter Regierungsführung der UN und der EU, die Faktoren wie Effizienz, Rechenschaftspflicht, Transparenz, Inklusivität, Rechtsstaatlichkeit, Bürgerbeteiligung und den Schutz sozialer Minderheiten beinhalten. Die Regelwerke der UN und der EU sehen ausdrücklich eine enge Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Akteur:innen vor und räumen dem Schutz der Menschenrechte – einschließlich der bürgerlichen und politischen Rechte – einen hohen Stellenwert ein.

ANALYSE

Die Verwendung des Begriffs „Gute Regierungsführung“ im offiziellen chinesischen Diskurs begann in den frühen 2000er Jahren im Zuge der weltweiten Diskussionen über „good governance“. Während der Begriff im Rahmen der Vereinten Nationen auf den Schutz der Bürgerrechte, die Beteiligung der Öffentlichkeit und die Einbeziehung nichtstaatlicher Akteure in alle öffentlichen Angelegenheiten ausgedehnt wurde, kritisieren parteinahe Wissenschaftler:innen und staatliche Vertreter in China diesen „allumfassenden“ Ansatz und plädieren dafür, an der ursprünglichen verwaltungswissenschaftlichen Definition des Begriffs festzuhalten.

Es geht also in erster Linie um effiziente Regierungsführung, Eindämmung von Korruption und Machtmissbrauch und Stärkung des Rechts- und Regulierungsrahmens, und weniger darum, Bürger:innen und nichtstaatlichen Akteur:innen institutionalisierte Mitspracherechte einzuräumen. Das Hauptaugenmerk liegt eher auf dem materiellen Nutzen für die einzelnen Bürger:innen und darauf, dass sie Fortschritt und individuelle Verbesserungen (获得感) als etwas wahrnehmen, was der Staat ihnen gewährt. Vor allem im Kontext der COVID-19-Pandemie wurde das chinesische Regierungssystem als tragfähige und letztlich überlegene Alternative propagiert, also als ein System, das öffentliche Güter wie Sicherheit und Gesundheit gewährleistet und nicht durch die Fokussierung auf individuelle Rechte und Interessen eingeschränkt wird.

Dass die Output-Legitimation im Vordergrund steht, spiegelt sich auch in den Begrifflichkeiten wider (良政善治). Das am häufigsten verwendete Wort shanzhi (善治) könnte besser mit „wohlwollendes“ Regieren übersetzt werden. Der Begriff stammt aus der traditionellen politischen Philosophie und wird von der politischen Führung in Kontinuität zu den chinesischen Denkschulen verstanden. Der Begriff lianzheng (廉政), der oft synonym oder in Verbindung mit shanzhi verwendet wird, konnotiert speziell eine unbestechliche oder „saubere“ Staatsführung.

Diese enge Auslegung steht damit im Einklang mit dem politisch-ideologischen Diskurs der KPCh, der die 2018 in der chinesischen Verfassung verankerte Vorherrschaft der Partei betont. Im Vordergrund steht die Aufgabe und der Anspruch der KPCh, das Land gut zu regieren. Als zentrale Erfolgsindikatoren gelten öffentliche Ordnung, soziale Stabilität – d. h. das Ausbleiben von Protesten – und wirtschaftliches Wachstum. Der hohe Stellenwert der Gemeingüter öffentliche Ordnung und Sicherheit zeigt, dass selbst Gesetze, die die bürgerlichen Freiheiten stark einschränken, als wichtige Säulen einer guten Regierungsführung angesehen werden. So wurden beispielsweise die Einführung des Nationales Sicherheitsgesetzes in Hongkong und die Zwangsmaßnahmen zur Umerziehung in Xinjiang als wichtige Schritte auf dem Weg zur guten Regierungsführung begrüßt, obwohl sie im Widerspruch zu internationalen Menschenrechtsnormen stehen.

Das Konzept der Guten Regierungsführung ist auch eng mit neuen Initiativen zur verstärkten Nutzung digitaler Technologien verknüpft. Xi Jinping wirbt für das neue Konzept der „smart governance“. Dies beinhaltet eine engmaschige, digital gestützte Überwachung und rigide Steuerung sowohl der eigenen Parteiränge, als auch von öffentlichen Einrichtungen, Unternehmen und Bürger:innen. Der Schwerpunkt der Bestrebungen zur „Modernisierung der Regierungsführung“ liegt auf einer technokratischen, datengestützten Kontrolle unter zentraler Führung und Aufsicht der KPCh. Die Aufsichtsfunktion soll nicht mit zivilgesellschaftlichen Akteure:innen oder den Medien geteilt werden. Dieses Modell wird als bessere und effektivere Alternative zum Politikansatz des Westens dargestellt, bei dem Rechtsstaatlichkeit und die Kontrolle der Staatsgewalt durch Gewaltenteilung und Pressefreiheit im Mittelpunkt stehen.