Journalismus / 新闻学
Kurzgefasst
Journalismus ist definiert als „die Tätigkeit des Beschaffens, Beurteilens, Erstellens und der Präsentation von Nachrichten und Informationen“ und gilt als entscheidend für den Schutz des Rechts auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung. In einem Bericht des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2012 wird betont, dass der Journalismus für die Ausübung des Rechts der Bürgerinnen und Bürger, „sich Informationen zu beschaffen und zu erhalten“, von zentraler Bedeutung ist. In den vergangenen zehn Jahren hat die KPCh diesem Verständnis von Journalismus ausdrücklich widersprochen und vertritt stattdessen die marxistische Sichtweise des Journalismus.
Danach stehen die Interessen der Kommunistischen Partei im Mittelpunkt der Pressetätigkeit. Dies verlangt von den Journalisten, dass sie eine „korrekte politische Richtung“ einhalten und „positive Meinungsmache“ betreiben. Die jüngste kategorische Ablehnung eines Journalismus im öffentlichen Interesse verdrängt jedoch bewusst die Komplexität der Rolle des Journalismus in der jahrhundertelangen Geschichte der Partei. Ein kritischer Blick offenbart konkurrierende Ansichten über die Rolle der Presse und des Journalismus, die die aktuelle Propaganda konterkarieren, nach der „die westliche Vorstellung von Journalismus“ im grundsätzlichen Widerspruch zur chinesischen steht.
Analyse
Die neuere politische Geschichte Chinas geht mit einer langen Tradition des professionellen Journalismus einher, der den heutigen Ansprüchen der KPCh an den Journalismus als Instrument der Parteiherrschaft gegenübersteht. Als Mao Zedong in den 1940er Jahren an die Macht kam, griff er das Gedankengut Lenins auf. In einer berühmten Rede über die Künste 1942 bekräftigte er die Notwendigkeit des „Parteigeistes“ (党性), einer Übersetzung des russischen Wortes partiinost, was so viel bedeutet wie Befolgung der politischen Richtung der KPCh.
Trotz dieser maoistisch geprägten Orthodoxie waren die Ansichten über die Rolle des Journalismus innerhalb der KPCh differenzierter. Im April 1950, wenige Monate nach Gründung der Volksrepublik China, wurden die Zeitungen und Zeitschriften in einem Beschluss dazu aufgefordert, „die Volksmassen“ frei von staatlichen Eingriffen „in eine regelmäßige und systematische Aufsicht einzubinden“. Dieser Gedanke war indes nur von kurzer Dauer. Berichte über Parteiverschulden verunsicherten die Führung, und im Juli 1954 gab ein neuer Beschluss Funktionären im Namen des „Parteigeistes“ umfassendere Kontrollmöglichkeiten der Medien. Während der kurzen Hundert-Blumen-Bewegung von 1956-57 wetterten Journalist:innen gegen die Einschränkungen, viele wurden jedoch von der darauffolgenden Anti-Rechts-Bewegung verfolgt.
1979, nicht lange nachdem China nach der Kulturrevolution die Reform- und Öffnungspolitik eingeleitet hatte, veröffentlichte die wichtigste Kommunikationszeitschrift des Landes den vollen Wortlaut des ursprünglichen Beschlusses von 1950 über die Presseaufsicht erneut. In dem Begleitkommentar stellten die Autoren fest, dass die Presse „eine wichtige Rolle“ bei der „Nachrichtenreform“ spielen könnte und erwähnte Ziele wie eine weniger steife Schreibweise und sogar die Aufdeckung offizieller Korruption. Es gab damals lebhafte Debatten, so zwischen dem liberalen Chefredakteur der Volkszeitung, Hu Jiwei, mit seiner Auffassung, dass Zeitungen im Sinne des öffentlichen Interesses agieren und so den „Volksgeist“ verkörpern, und dem linksgerichteten Beamten Hu Qiaomu, der auf die Überlegenheit des „Parteigeistes“ drängte. Der Debatte wurde mit der brutalen Niederschlagung der Demokratiebewegung durch die Partei im Jahr 1989 ein Riegel vorgeschoben, da die liberale Pressepolitik für die Proteste mitverantwortlich gemacht wurde.
Auch wenn der Kontrollanspruch in den 1990er und 2000er Jahren unter dem parteipolitischen Konzept der „öffentlichen Meinungslenkung“ fortbestand, schufen der Wandel des Wirtschaftssystems, die Kommerzialisierung der Medien und das Aufkommen des Internets Möglichkeiten für Journalist:innen, ihre professionelle Rolle stärker wahrzunehmen. In diese Zeit fällt das Aufkommen der investigativen Berichterstattung, die der Ministerpräsident des Landes im Oktober 1998 als „Spiegel der Regierung“ bezeichnete. Da der Parteistaat es nicht schaffte, Machtmissbrauch unter Kontrolle zu bringen, wandten sich die Bürger:innen häufig an Journalist:innen als Quelle der Gerechtigkeit. Auch der sogenannte „Bürgerjournalismus“ etablierte sich als eigenständige Informationsquelle.
Seit Xi Jinpings Machtübernahme Ende 2012 gab es eine dramatische Rückwärtsbewegung bei den Fortschritten im Journalismus. Zu den Einschränkungen auf höchster Ebene im Jahr 2013 gehörte die Ablehnung dessen, was die KPCh als „die westliche Vorstellung von Journalismus“ bezeichnete, da dies als direkte Kampfansage an die Kontrolle der Partei über die Medien und das Verlagswesen angesehen wurde. Seitdem verficht die Partei die marxistische Sicht des Journalismus, indem sie die Werte des chinesischen Journalismus strikt denen des abstrahiert dargestellten Westens gegenüberstellt und die Notwendigkeit der Verbreitung „positiver Energie“ in der Berichterstattung betont. Nicht nur Journalist:innen, sondern alle vernetzten Bürgerinnen sind dazu verpflichtet, sich als Verfechter des Ansehens der Partei und der Nation bzw. des Staates zu betätigen.
In seiner ersten großen Rede zur Medienpolitik im Februar 2016 verlautbarte Xi Jinping, dass die Medien „den Beinamen Partei tragen müssen“ – eine Anspielung auf die Worte Nachname bzw. Geist, da diese im Chinesischen gleich klingen. Dies ist ein klares Echo früherer autoritärer Interpretationen im Sinne von Maos „Parteigeist“. In seiner Rede ging Xi sogar noch weiter, indem er behauptete, dass der Begriff „Volksgeist“ – eine Anspielung auf die liberale Strömung im Journalismus – ohnehin „immer derselbe gewesen sei“ wie der „Parteigeist“. Medien ist zwar vorgeschrieben, „die Partei zu lieben, die Partei zu schützen und der Partei zu dienen“. Aber da die Partei per Eigendefinition im Namen des Volkes kämpft, ist jede journalistische Arbeit ohnehin „Journalismus im öffentlichen Interesse“.