Religionsfreiheit

Religionsfreiheit
宗教信仰自由

Religionsfreiheit / 宗教信仰自由

Religionsfreiheit / 宗教信仰自由

KURZGEFASST

Das Recht auf Religionsfreiheit ist in den internationalen Menschenrechtsnormen geschützt und schließt das Recht ein, seine Religion oder Glauben durch Ausübung und Weitergabe zu bekunden. Diese Freiheit kann durch Gesetze zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Sittlichkeit oder der Rechte anderer eingeschränkt werden. Staaten verfolgen bei der Regulierung unterschiedliche Ansätze. Die Beziehung – bzw. der Grad der Trennung – zwischen Staat und Kirchen oder religiösen Einrichtungen wird oft durch die historische Entwicklung der Institutionen bestimmt.

In Übersetzungen sprechen Chinas amtliche Dokumente und Erklärungen oft von „Religionsfreiheit“. Der in der Verfassung und Vorschriften verwendete Begriff wäre jedoch zutreffender mit „Glaubensfreiheit“ (宗教信仰自由) übersetzt. Die Bürger:innen sind frei zu glauben, aber nicht darin, ihren Glauben zum Ausdruck zu bringen. Nur „normale religiöse Aktivitäten“ (正常的宗教活动) sind geschützt – und der Rahmen des Erlaubten wird vom Staat eng gesetzt. Gesetze und Richtlinien stellen die Religionen nicht nur unter strenge parteistaatliche Aufsicht, sondern verlangen auch, dass religiöse Vereinigungen die KPCh-Ideologie aktiv propagieren.

ANALYSE

Der chinesische Staat erkennt fünf offizielle Religionen an: Buddhismus, Taoismus, Islam, Katholizismus und Protestantismus, die alle seit den frühen 1950er Jahren durch patriotische Vereinigungen organisiert und vertreten werden. Einem Weißbuch der Regierung zur Religionsfreiheit aus dem Jahr 2018 zufolge gibt es in China mehr als 200 Millionen registrierte Gläubige. Dabei ist die Fülle an traditionellen Volksglaubensrichtungen nicht berücksichtigt. Es gibt zudem zahlreiche Untergrundkirchen und religiöse Gruppen, trotz wiederholter Versuche, sie entweder an staatliche Strukturen anzubinden oder aufzulösen.

Die KPCh selbst ist säkular. Parteimitgliedern ist es untersagt, sich offen zu Glaubensrichtungen zu bekennen. Die Beziehung der Partei zur Religion ist seit jeher angespannt und turbulent. Unter Mao galt Religion als rückständig und als etwas, das notfalls gewaltsam überwunden werden sollte. Religiöse Riten und Bräuche sowie Veröffentlichungen wurden verboten und viele religiöse Stätten im Rahmen politischer Kampagnen, vor allem während der Kulturrevolution, zerstört. Ab Mitte der 1980er Jahre eröffnete die Reformära den Religionen neuen Raum, und die Zahl der Gläubigen stieg deutlich an.

Dennoch hielt die Führung an ihrer marxistischen Überzeugung fest, dass religiöse Weltanschauungen eine vorübergehende Erscheinung seien und mit dem wirtschaftlichen Fortschritt allmählich verschwinden würden. Diese Erwartungen erfüllten sich nicht. Neben steigenden Mitgliederzahlen in staatlich anerkannten religiösen Organisationen und inoffiziellen Hauskirchen entstanden neue Bewegungen, wie die Falun Gong. Nachdem Versuche zu ihrer Einschränkung zu massiven Protesten geführt hatten, verbot die chinesische Regierung 1999 Falun Gong und erklärte sie zu einer „bösartigen Sekte“.

Der Parteistaat fürchtet, dass der Glaube an eine höhere Macht ein existenzielles Risiko für die Sicherheit und Macht des Regimes schüren könnte. Einige der prominentesten Menschenrechtsaktivist:innen in den 2000er Jahren waren Christen; Befürworter von mehr Autonomie in Minderheitengebieten waren oft praktizierende Muslime oder Buddhisten. Angefangen bei Protesten und gewalttätigen Ausschreitungen in Xinjiang bis hin zur Selbstverbrennung tibetischer Mönche und Nonnen nach 2009: Die Partei identifizierte „fehlgeleitete“ oder „extremistische“ Überzeugungen als Ursache – und nicht etwa verfehlte staatliche Politik und strukturelle Diskriminierung von Minderheiten. Unter Xi sind islamische, katholische, protestantische und buddhistische Glaubensvorstellungen – denen oftmals das Etikett „ausländischer Herkunft“ verpasst wird – stärker ins Visier genommen worden. Im Weißbuch von 2018 wird die Notwendigkeit betont, die Unabhängigkeit von ausländischem Einfluss zu gewährleisten und die staatliche Kontrolle zu sichern.

Letztlich beansprucht der säkulare Parteistaat die Autorität über grundlegende religiöse Angelegenheiten, wenn er beispielsweise verlangt, dass die Partei über die Bestimmung des Dalai Lama entscheidet und die nächste Reinkarnation dem chinesischen Recht folgt. Das Misstrauen gegenüber Religion spiegelt sich in der engmaschigen Überwachung vieler Gebetsstätten wider, insbesondere größerer Tempel, Kirchen und Moscheen. Wo der Parteistaat ethnische Zugehörigkeit und Religion als Indikatoren für eine potenzielle Bedrohung durch Einzelpersonen oder Gruppen betrachtet, gibt es strenge Überwachung und Einschränkungen. Was der Staat als „normale religiöse Praktiken“ ansieht, ist teils willkürlich: Während das Feiern muslimischer Feste, das Fasten und Beten in anderen Teilen des Landes toleriert werden mag und von Chinas Diplomaten im Ausland gelobt wird, wurden einige dieser Glaubensbekundungen in Xinjiang als Zeichen von Extremismus interpretiert und gaben Anlass zum Freiheitsentzug.

In den letzten zehn Jahren hat sich ein grundlegender Wandel im Umgang mit Religion vollzogen. Alle Religionen müssen nun „das Land und die Partei lieben“, die politische Stabilität unterstützen und die allgemein vorherrschenden Werte Chinas sowie die nationale Identität fördern. Dieses Bestreben spiegelt sich in den jüngsten politischen Initiativen wider, angefangen bei den Fünfjahresplänen für die Sinisierung (中国化) des Buddhismus, Islams und Christentums bis hin zu daoistischen Bildungsplänen, die auch Xi Jinpings Gedankengut umfassen. Seit 2018 ist das Staatliche Amt für religiöse Angelegenheiten der Zentralabteilung für Einheitsfrontarbeit der Partei unterstellt, um die Führung im Bereich Religion zu stärken. Gebetsstätten müssen die Ideologie und die Politik der Partei mit Spruchbändern und durch die Aufnahme in Predigten und Schriften propagieren, wozu auch im Internet verbreitete Inhalte gehören. Der Anspruch ist klar: Im heutigen China muss Religion auch die Botschaft der KPCh verbreiten.