Transparenz

Transparenz
透明度

Transparenz / 透明度

Transparenz / 透明度

Kurzgefasst

Von Transparenz spricht man, wenn Politik und politische Verfahren offen und nachvollziehbar sind und Entscheidungen und Informationen der Öffentlichkeit verständlich, barrierefrei und zeitnah zur Verfügung gestellt werden. Die Informationsfreiheit ist ein wesentlicher Bestandteil des Menschenrechts auf freie Meinungsäußerung. Die Arbeit von Regierungen soll generell transparent sein und etwaige Ausnahmen sollten auf Fragen wie nationale und öffentliche Sicherheit, strafrechtliche Ermittlungen, Datenschutz und Geschäftsgeheimnisse beschränkt werden.

Die chinesische Führung sieht Transparenz als wichtig an, um die Legitimität des staatlichen Handelns zu fördern. Sie behandelt sie jedoch eher als ein Disziplinierungs- und Überwachungsinstrument, denn als eine Frage der Pressefreiheit und Bürgerbeteiligung. Das Recht auf „Offenlegung von Regierungsinformationen“ (政府信息公开) ist zwar gesetzlich verankert, darf aber nicht gegen die Interessen des Parteistaats verstoßen. Dieser verweist häufig auf nationale Sicherheit, um „Staatsgeheimnisse“ zu schützen. Im internationalen Vergleich ist die chinesische Definition von Staatsgeheimnissen sehr weit gefasst und schließt Informationen ein, die „die soziale Stabilität beeinträchtigen“ oder „einen negativen Einfluss“ auf Chinas internationale Beziehungen haben könnten. Informationen können auch nachträglich zu „Staatsgeheimnissen“ erklärt werden, wobei die Höchststrafe für die Preisgabe von Staatsgeheimnissen der Tod ist.

Analyse

Ein besserer Zugang zu staatlichen Informationen war Teil der 1978 von Deng Xiaoping eingeleiteten Reform- und Öffnungspolitik. Das verfassungsmäßige Recht der chinesischen Bürger:innen, die Regierung zu kontrollieren, wurde offiziell anerkannt. Zur Bekämpfung der Korruption auf lokaler Ebene wurde das Konzept der „Transparenz dörflicher Angelegenheiten“ (村务公开) eingeführt. Doch der politische Reformprozess, den die Partei in den 1980er Jahren verfolgte, fand sein jähes Ende mit der gewaltsamen Niederschlagung der Studierendenproteste am Tiananmen Platz in 1989. Gleichwohl gewann das Konzept der „transparenten Regierung“ (政务公开) weiter an Bedeutung, denn die Bekämpfung von Korruption und der Aufbau einer „sauberen Regierung“ wurden als entscheidend für das Überleben der Partei angesehen.

Der Mangel an staatlicher Transparenz rückte in den 1990er und frühen 2000er Jahren durch eine Reihe von Vertuschungsversuchen von Katastrophen in den öffentlichen Fokus. Von der HIV/AIDS-Epidemie in der Provinz Henan Mitte der 1990er Jahre über den Ausbruch von SARS im Jahr 2002 und den Chemieunfall am Songhua-Fluss im Jahr 2004 bis hin zum Skandal um mit Melamin verseuchte Milch im Jahr 2008 – die politische Geheimhaltungskultur und der fehlende freie Informationsfluss hatten verheerende Auswirkungen auf die Gesundheit und Lebensgrundlagen der Menschen und führten zu einem öffentlichen Ruf nach Offenheit.

Eine wichtige Kontrollinstanz war zu dieser Zeit das chinesische Internet, in dem Enthüllungsjournalisten Bestechungsfälle und Machtmissbrauch aufdeckten. Auf dem 17. Parteitag in 2007 wurde Transparenz als „Sonnenlicht“ hervorgehoben, das der Korruption dunkler Amtstuben entgegenwirkt.

Im Jahr 2008 wurde die erste nationale Verordnung über die Offenlegung von Regierungsinformationen verabschiedet. Sie sah einen verbesserten Zugang zu Regierungsinformationen bei Themen wie Staatshaushalt und -ausgaben, Umweltverschmutzung, Lebensmittel- und Arzneimittelsicherheit, Landnahme und Entschädigung, Beschaffungswesen und Bauaufträgen sowie eine größere Transparenz bei Gesetzgebungsverfahren und Gerichtsentscheidungen vor. Chinesische Nichtregierungsorganisationen und Rechtsanwält:innen machten sich die neue Verordnung zu Nutze, um Klagen im öffentlichen Interesse anzustrengen und sich für Themen wie Umweltverschmutzung und Diskriminierung einzusetzen.

Die Effektivität solcher Verordnungen war jedoch stets durch den systembedingten Mangel an Rechtsstaatlichkeit, Medienfreiheit und zivilgesellschaftlicher Kontrolle eingeschränkt. Für die Partei bedeutet Transparenz Überwachung und Kontrolle von oben – und eben nicht Kontrolle durch die Bürger:innen und öffentliche Aufsicht. Es geht in erster Linie um die Effizienz der Regierung und nicht um deren Rechenschaftspflicht. Die Rolle der Medien besteht darin, Sprachrohr der Regierung zu sein und eine begrenzte Kontrollfunktion auszuüben, indem sie auf Geheiß der zentralen Führung Korruption auf lokaler Ebene aufdecken. Unter Xi Jinping wurde der investigative Journalismus beschnitten. In Umkehrung früherer Trends beschränkt die Regierung nun aktiv den Online-Zugang zu Regierungsdaten, um unerwünschte Einblicke zu verhindern.

Während die Partei im Namen von Transparenz und Korruptionsbekämpfung sowohl im In- als auch im Ausland „Tiger, Fliegen und Füchse“ jagt, bleiben ihre internen Führungsstrukturen und Arbeitsmethoden undurchsichtig und sind geprägt durch Geheimhaltung, außergerichtliche Maßnahmen, bis hin zum Verschwindenlassen von Personen. Xi Jinping nutzte die von ihm initiierte Anti-Korruptionskampagne, um sowohl korrupte Beamte als auch politische Rivalen auszuschalten.  Die „mutige Praxis der Selbstreform“ und die Fähigkeit der Partei, „die Klinge nach innen zu drehen, um das verrottete Fleisch auszurupfen“, so Xi, habe eine überzeugende Antwort auf all diejenigen gegeben, die das westliche System der Demokratie und Gewaltenteilung anpreisen.


Author: Malin Oud