Entwicklungshilfe

Entwicklungshilfe
援助

Entwicklungshilfe / 援助

Entwicklungshilfe / 援助

Kurzgefasst

Entwicklungshilfe wird als Mittel- und Wissenstransfer von reichen (Geber)Ländern an ärmere (Entwicklungs)Länder verstanden, mit dem Ziel, soziale und wirtschaftliche Entwicklung zu fördern. Nach weit verbreiteter Auffassung soll Hilfe ohne direkte Gegenleistung, oder zumindest mit einem Schenkungselement erfolgen – auch wenn sie in vielen Fällen nachweislich von den politischen, strategischen und wirtschaftlichen Interessen der Geberländer dominiert wird.

Im chinesischen Sprachgebrauch wird „Hilfe“ weitgehend als etwas Gegenseitiges verstanden. Der offizielle Diskurs unterscheidet zwischen der „Entwicklungshilfe“ (发展援助) des Westens und der chinesischen „Auslandshilfe“ (对外援助) an andere Staaten. Dabei betont China stets, dass es kein „Geberland“ ist und keine „Entwicklungshilfe“ gibt. Es definiert seine „Auslandshilfe“ als Süd-Süd Kooperation und konnotiert sie mit Begriffen wie „Gleichheit“ (平等), „Freundschaft“ (友谊) und „gegenseitiger Nutzen“ (互利). Während die Hilfe direkt durch den Austausch von Waren oder Ressourcen erwidert werden kann, liegt ihr politisch die Annahme zu Grunde, dass Auslandshilfe durch Unterstützung chinesischer Positionen, etwa in den internationalen Organisationen, erwidert wird.

Analyse:

Die ersten Empfänger der chinesischen „Auslandshilfe“ waren ab 1950 Nordkorea und Nordvietnam. Nach der Bandung Konferenz von 1955 kamen zahlreiche kürzlich dekolonisierte Länder hinzu. Von Beginn an wurde „Auslandshilfe“ als ein politisches Instrument verstanden, das China helfen sollte, die internationale Isolation zu durchbrechen: Im Gegenzug für Wirtschaftshilfe erhielt China diplomatische Anerkennung.

Zhou Enlai erklärte 1956, dass China trotz der eigenen Armut anderen Ländern half, weil „wir verstanden haben, dass wirtschaftliche Unabhängigkeit die Grundlage für politische Unabhängigkeit ist“. Er meinte eine Unabhängigkeit von dem Westen. In 1964 bereiste Zhou zehn afrikanische Staaten und verkündete die „Acht Prinzipien der chinesischen Auslandshilfe“, deren Kern, Hilfe an keine politischen Konditionen zu knüpfen – mit Ausnahme der Nichtanerkennung Taiwans – bis heute Gültigkeit hat. So war es auch der Entwicklungshilfe zu verdanken, dass China 1971 mit den Stimmen der Entwicklungsländer in die Vereinten Nationen aufgenommen, und Taiwan ausgeschlossen wurde.

Mit Beginn der Reform- und Öffnungspolitik in 1978 kam die „Auslandshilfe“ auf den Prüfstand, denn China brauchte die knappen Ressourcen für das ambitionierte Entwicklungs- und Modernisierungsprogramm. Deng Xiaoping kam jedoch zu dem Schluss, dass Entwicklungshilfe zu geben für China immer eine strategische Notwendigkeit sein würde. Entsprechend stellte der Staatsrat 1980 mit Blick auf Chinas UN-Beitritt fest, dass „China anderen Ländern geholfen hat, und selber von ihnen Hilfe im Gegenzug erhielt. Chinas internationaler Status ist untrennbar mit der Unterstützung durch befreundete Länder verbunden.“[1]

Die Fortsetzung der Hilfe beruhte auf der Annahme, dass die Hilfe, für die man in der Vergangenheit Gegenleistung erfahren hatte, auch in Zukunft erwidert werden würde. Nach dieser Logik erreichte die chinesische Hilfe nach 1989 erneut einen Höhepunkt, als China nach der Niederschlagung der Ereignisse auf dem Platz des Himmlischen Friedens mit internationalen Sanktionen belegt wurde und Taiwan 1990 versuchte, wieder in die UN aufgenommen zu werden.  Bis heute betonen chinesische Funktionäre in Gesprächen mit afrikanischen Staatsoberhäuptern, wie dankbar China für die Unterstützung ist, die es in der UN erhält. In seiner Rede auf dem Gipfel des Forums für China-Afrika Kooperation 2021 drückte Xi Jinping seine „tief empfundene Dankbarkeit gegenüber der großen Zahl afrikanischer Freunde aus, die China […] bei der Wiedererlangung seines rechtmäßigen Sitzes in den Vereinten Nationen unterstützt haben“.

Der Begriff „Hilfe“, ist im chinesischen Diskurs sehr weit gefasst: Fast alles, was in den Bereich „Sie brauchen es – wir haben es“ fällt, kann als „Hilfe“ bezeichnet werden. Dabei sind Auslandsinvestitionen oder Bauvorhaben chinesischer Unternehmen, die mit Hilfe von Exportsubventionen in Entwicklungsländern getätigt werden, genauso Hilfe, wie Projekte zur Armutsbekämpfung. Da Entwicklungshilfe oft mit Handel und Investitionen gebündelt wird, werden von Empfängerländern auch die letzteren oft als Hilfe wahrgenommen. Die Datenbanken der öffentlichen Entwicklungshilfeleistungen (ODA) in Kambodscha und den Philippinen beispielsweise enthalten beides – chinesische Entwicklungshilfekredite zu Vorzugsbedingungen und Projekte mit Exportsubventionen, die nicht Teil der chinesischen Entwicklungspolitik sind. Dies lässt die chinesische Entwicklungshilfe größer erscheinen, als sie tatsächlich ist, auch im Verhältnis zu den Gebern der OECD-DAC-Länder.

Wie unterschiedlich „Hilfe“ teilweise aufgefasst wird, zeigt sich an einer Kontroverse aus den ersten Monaten der Coronapandemie: China schickte im März 2020 Schutzkleidung nach Italien, die mit den Worten „Die Straße der Freundschaft kennt keine Grenzen“. beschriftet war. Während die italienische Fünf-Sterne-Bewegung dies als „Geschenk“ darstellte, warfen europäische und amerikanische Journalist:innen China vor, ein Handelsgeschäft als „Politik der Barmherzigkeit“ zu tarnen. Eine Presseerklärung von Außenminister Wang Yi zeigt jedoch, dass das Missverständnis wohl auf europäischer Seite lag: Wang erklärte, China werde trotz seines eigenen Mangels an medizinischen Gütern „medizinische Hilfe für Italien leisten und seine Bemühungen verstärken, dringend benötigte Güter und Ausrüstungen zu exportieren“. Für China stellte der Export also Hilfe dar.

Das chinesische Konzept der Hilfe ist eher pragmatisch als wohltätig. Zwar erwartet China – explizit und implizit – Gegenleistung. Doch indem China den Entwicklungsländern im Unterschied zu DAC-Gebern die Fähigkeit zur Gegenleistung zuschreibt und seine Hilfe in die Rhetorik von „Gleichheit“, „Freundschaft“ und „gegenseitigem Nutzen“ einbettet, entsteht symbolisch eine Beziehung auf Augenhöhe. Diese Dimension findet im Westen oft nicht genügend Beachtung.

[1] „中共中央、国务院关于认真做好对外援助工作的几点意见 (1980 年 11 月 8 日)“ [Mehrere Vorschläge des Zentralkomitees der KPCh und des Staatsrats für gute Arbeit in der Auslandshilfe (8. November 1980)], In: 中共中央文献研究室 [Zentrales Büro fes Zentralkomitees der KPCh] (Hg.), 三中全会以来重要文献汇编 [Sammlung wichtiger Dokumente seit der Dritten Plenartagung], Bd. 上: S. 727–29 (728). Peking: Renmin chubanshe, 1982.

Author: Marina Rudyak