Kooperation

Kooperation
合作

Kooperation / 合作

Kooperation / 合作

KURZGEFASST

 

„Eine neue Art von internationalen Beziehungen aufbauen, bei denen die Win-Win-Kooperation im Vordergrund steht“– das ist der Kern von Xi Jinpings diplomatischem Denken. Die „Win-Win-Kooperation“ (合作共赢) zum gegenseitigen Nutzen wird als Alternative zur vorherrschenden „alten“ (d. h. westlich dominierten) Art von internationalen Beziehungen präsentiert, die nach Ansicht chinesischer Spitzendiplomat:innen von einer Mentalität des Kalten Krieges und einer konfrontativen Nullsummenspiel-Logik geprägt ist.

Die chinesische Regierung vertritt die Auffassung, dass Kooperation die „kulturelle Vielfalt von Entwicklungspfaden“ respektieren sollte. Internationale Angelegenheiten sollen durch eine „politische Koordination“ gestaltet werden, die auf gemeinsamen, geteilten Interessen aufbaut. Zusammenarbeit sollte „für beide Seiten von Nutzen“ sein und zur „gemeinsamen Entwicklung“ beitragen.

Während im Diskurs der Vereinten Nationen Kooperation ein Mittel zur Verwirklichung eines bestehenden gemeinsamen Zieles ist, wird sie im heutigen politischen Denken Chinas als Möglichkeit verstanden, gemeinsame Interessen zu entdecken und „freundschaftliche Beziehungen“ aufzubauen, die auf dem Prinzip der „Suche nach Gemeinsamkeiten unter Wahrung der Unterschiede“ beruhen. Die Entwicklung gemeinsamer Interessen wird intern als Schlüssel zur „Beseitigung der Hindernisse für Chinas friedliche Entwicklung in der Welt“ gesehen.

ANALYSE

Dass die Kooperation zwischen Staaten freundschaftlich und für beide Seiten von Nutzen sein und die gemeinsame Entwicklung fördern sollte, ist seit der Gründung der Volksrepublik ein zentrales Narrativ des außenpolitischen Diskurses der VR China. Diese Rhetorik der Solidarität ist nicht spezifisch chinesisch, sondern Teil des Diskurses des Globalen Südens. In China ist sie jedoch in besonderer Weise mit dem Gedanken von Relationalität und Reziprozität verknüpft. Laut dem chinesischen Experten für Internationale Beziehungen Qin Yaqing wird Kooperation im politischen Denken Chinas als ein Instrument verstanden, „gemeinsame Interessen“ zu finden, um relationale Macht zu erlangen. Diese wiederum beruht auf der Macht menschlicher Beziehungen.[1] Deshalb spielt die Gipfeldiplomatie – etwa das Forum für chinesisch-afrikanische Zusammenarbeit (FOCAC), die Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) oder die verschiedenen BRI-Foren – eine zentrale Rolle in der chinesischen Außenpolitik.

Dahinter steht die Annahme, dass gemeinsame Interessen immer vorhanden sind. Sie müssen lediglich gefunden werden. Eine „pragmatische Zusammenarbeit“ ist daher grundsätzlich immer möglich. Hinter der Rhetorik vom gegenseitigen Nutzen – insbesondere im Kontext der „freundschaftlichen Zusammenarbeit“ mit Ländern des Globalen Südens in Form von Entwicklungshilfe oder Krediten – steht die Überzeugung, dass die Empfänger im Gegenzug politische Unterstützung leisten werden, indem sie zum Beispiel Taiwan politisch nicht anerkennen oder in den Vereinten Nationen mit China stimmen. Aufrufe zur „Stärkung der internationalen Zusammenarbeit“ gehen oft mit der Forderung nach einer Stärkung des „Multilateralismus“ einher (多边主义).

Darüber hinaus kann sich der chinesische Begriff für „Zusammenarbeit“, hezuo (合作), auf nahezu jede Art von Transaktion oder Interaktion zwischen zwei oder mehreren Parteien beziehen, was ihn zum wohl am häufigsten falsch übersetzten und missverstandenen Begriff in den chinesisch-westlichen Beziehungen macht. Die Beteiligung an „internationaler Zusammenarbeit“ ist für chinesische Staatsunternehmen gleichbedeutend mit Außenhandel und Investitionen. Die „Abteilungen für internationale Zusammenarbeit“ in den Ministerien befassen sich hauptsächlich mit Protokoll- und Zeremonialfragen, betreiben Kontaktpflege und veranstalten Konferenzen. Bei den „Internationalen Kooperationszentren“ in den chinesischen Provinzen handelt es sich meist um Organisationen zur Förderung des Exporthandels. Im Rahmen von Covid-19 bezog sich die „pragmatische Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich“ mit Frankreich auf den Verkauf von Masken und Beatmungsgeräten.

Der Ausdruck „solidarische Zusammenarbeit“ hingegen wurde von Xi Jinping häufig bemüht, um Chinas Unterstützung für den Globalen Süden zu betonen und der Kritik an Chinas anfänglicher Vertuschung der Pandemie entgegenzutreten. Die „kulturelle Zusammenarbeit“ soll „gegenseitige“ Wertschätzung, Verständnis und Respekt fördern, was im staatlichen Kontext zu den Bemühungen gehört, „Chinas Geschichte gut zu erzählen“ (讲好中国故事). „Kulturelle Zusammenarbeit“ kann aber auch bedeuten, afrikanische Dörfer mit Digitalfernsehern auszustatten oder gemeinsame Fernsehsender aufzubauen. Chinas „internationale Entwicklungszusammenarbeit“ umfasst sowohl Entwicklungshilfe als auch kommerzielle Kredite im Rahmen der BRI. Sie soll helfen die „Gemeinschaft mit geteilter Zukunft für die Menschheit“ (人类命运共同体) aufzubauen und somit dazu beitragen, die chinesische Vision des Multilateralismus zu verwirklichen.

[1] Qin, Y., A Relational Theory of World Politics, Cambridge, Cambridge University Press, 2018, S. 258.