Sicherheit / 安全
KURZGEFASST
Für China sind nationale Sicherheit und Staatssicherheit Synonyme, da es im Chinesischen nur einen Begriff für die beiden Ebenen gibt (国家安全). Die Sicherheit des Staates bezieht sich auf die Konsolidierung der Führungsposition der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) und auf ihren Schutz vor in- und ausländischen Bedrohungen. Bedrohungen der nationalen Sicherheit werden von der Partei als existenziell angesehen. Im chinesischen Kontext umfasst die nationale Sicherheit u. a. die politische Sicherheit, die innere Sicherheit, die militärische Sicherheit, die wirtschaftliche Sicherheit, die kulturelle Sicherheit, die soziale Stabilität und die Informationssicherheit. Sie kann als Voraussetzung für den Fortbestand des Machtmonopols des Regimes verstanden werden.
Um zu erfassen, was die Partei unter nationaler Sicherheit versteht, muss man verstehen, welche Gefahren die Partei für ihre Herrschaft sieht. Eine übergreifende Bedrohung sieht die Partei in der ideologischen Unterwanderung durch „westliche feindliche Kräfte“, zu denen auch viele ausländische NGO und internationale Medien gezählt werden. Das zugrundeliegende Argument ist, dass die persönliche Sicherheit des Einzelnen nicht gewährleistet ist, wenn das Regime nicht sicher ist. Gleichzeitig gilt in China die Grundannahme, dass diejenigen, die im Einklang mit den Interessen der herrschenden Klasse handeln, geschützt werden müssen.
ANALYSE
Dass Chinas Hauptaugenmerk auf dem Parteistaat als Nutznießer der nationalen Sicherheit liegt und nicht etwa auf gesellschaftlichen und individuellen Freiheiten, wird in Artikel 2 des Nationalen Sicherheitsgesetzes (NSG) von 2015 deutlich:
„Nationale Sicherheit bezieht sich auf die relative Abwesenheit internationaler oder innerstaatlicher Bedrohungen für die Regierungsgewalt, die Souveränität, die Einheit und die territoriale Integrität des Staates, das Wohlergehen der Bevölkerung, die nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklung und andere wichtige nationale Interessen sowie die Fähigkeit, einen dauerhaften Zustand der Sicherheit zu gewährleisten“.
Darüber hinaus wird laut NSG „der Staat“ von der KPCh regiert: „Der Staat wird von der Kommunistischen Partei Chinas geführt.“ Ähnliche Formulierungen finden sich auch in der chinesischen Verfassung. Daher sollte „Staatssicherheit“ letztlich als Sicherheit der Partei verstanden werden.
Das chinesische Konzept der nationalen Sicherheit kommt auch in den vorrangigen Aufgaben von Chinas zivilem Nachrichtendienst, dem Ministerium für Staatssicherheit (MSS), zum Ausdruck. Im Gegensatz zu vergleichbaren Diensten in Demokratien spioniert der MSS beispielsweise inländische Dissident:innen mit Verbindungen ins Ausland, Uigur:innen, Tibeter:innen, Taiwaner:innen, Demokratieaktivist:innen und Mitglieder der Falungong-Bewegung wie auch deren Anhänger im Ausland aus. Darin zeigt sich die Besorgnis innerhalb der Partei, dass diese Gruppen zu einer Sicherheitsbedrohung werden könnten. Hierzu gehört auch jedwede Parteinahme gegen Peking, die das internationale Image Chinas negativ beeinflussen könnte.
Ein Beispiel dafür, wie das Konzept der „Sicherheit“ von chinesischen Beamten benutzt wird, sind Pekings Bemühungen, die Einrichtung von Umerziehungslagern in Xinjiang ab 2017 zu verteidigen. Obwohl den Inhaftierten keine Straftaten zur Last gelegt wurden, stellte die chinesische Regierung die Lager als Teil ihrer Bemühungen zur Terrorismusbekämpfung dar, mit denen sie die Sicherheit des Staates wahrt.
Die kulturelle Sicherheit soll die chinesische Gesellschaft vor kultureller Unterwanderung durch hegemoniale Mächte, Verwestlichung und kulturellem Niedergang schützen. Das Konzept der kulturellen Sicherheit ist mit der „ideologischen Sicherheit“ verflochten, die Bedrohungen wie die „Demokratie westlicher Prägung, die kulturelle Hegemonie des Westens, die vielfältige Verbreitung von Informationen und öffentlichen Meinungen im Internet sowie die religiöse Unterwanderung“ umfasst. Der prominente Ideologe Wang Huning, Mitglied des Ständigen Ausschusses des Politbüros, erklärte 1994, dass die Globalisierung als westliche kulturelle Hegemonie zu verstehen sei und eine existenzielle Bedrohung für die Partei darstellen könne.
Ernährungssicherheit wird als nationale Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln definiert und ebenfalls mit der Sicherheit des Regimes gleichgesetzt. Dies ist vergleichbar mit der Definition der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), wonach Ernährungssicherheit „ein Zustand ist, bei dem alle Menschen zu jeder Zeit physischen, sozialen und ökonomischen Zugang zu ausreichender, gesundheitlich unbedenklicher und nahrhafter Nahrung haben, die ihren Ernährungsbedürfnissen und Nahrungsmittelpräferenzen für ein aktives und gesundes Leben entspricht.“
Menschliche Sicherheit zielt nach chinesischem Verständnis vor allem auf die kollektive Bevölkerung und nicht auf die Sicherheit des Einzelnen ab, die normalerweise im Mittelpunkt des Diskurses über den Zweck von Sicherheit steht. Der Staat wird in China als der wichtigste Garant für die menschliche Sicherheit verstanden und nicht als deren Bedrohung.